Hinter den Hunden zum Zwecke einer Wildjagd zu reiten, ist eine Tradition, die vor Jahrhunderten ihren Ursprung fand und sich stets weiterentwickelt hat. Dabei kommt dem Jagdhorn eine prägende Rolle zu, da es im Grunde genommen nichts Anderes, als das Funkgerät der Geschichte ist.
Der Begriff Jagdhorn entstammt im Übrigen dem Ursprung, dass man einst das Horn einer Kuh oder beispielsweise eines Wisent für diesen Zweck verwendet hat.
Jeher diente es der Kommunikation. Bereits in einer Zeit, in der es das moderne Jagdhorn noch nicht gab, nutzte man beispielsweise Muscheln oder anderweitige Geräte, mit denen man die Kraft der eigenen Stimme zu verstärken versuchte. Denken wir an die Rufhörner der Germanen, der Wikinger, wie sie im dichten Nebel mit tiefen Tönen den Gegner in Angst und Schrecken versetzen sollten.
Kurzum: Die Tatsache, mit einem Gegenstand einen Laut zu erzeugen, ist uralt.
Durch die Jagd auf lebendes Wild, auf der sich Jäger über weite Distanzen verteilen, war und ist man auch heute noch auf eine unmissverständliche Kommunikation untereinander angewiesen. Die menschliche Stimme verfügt über eine weitaus bescheidenere Klanggewalt als der durch ein dafür entwickeltes Instrument erzeugte Ton. Die Bedeutung des Horns wird dann eindringlich, wenn man eine Jagd in Frankreich, oder auch eine Drück- bzw. Treibjagd hierzulande erlebt.
Ein großes Waldgebiet wird dazu weiträumig umstellt, das durch die Meute samt der Equipage oder durch die sogenannte Treiberwehr durchquert wird. Bei der beschriebenen Art der Jagd in Frankreich nehmen nun die Hunde die Verfolgung auf, woraus sich verschiedenste Situationen ergeben, über die die Jagdteilnehmer außer Sichtweite informiert werden müssen, aber auch etwaige Handlungsaufforderungen durch die Hornsignale getätigt werden. Näheres folgt im Artikel.
Bei der Drück- oder Treibjagd kommt das Horn, neben ebensolchen Situationen wie gerade beschrieben, unter anderem durch das Abblasen des Triebes an dessen Ende zum Einsatz. Dieses Abblasen signalisiert, dass es in das nächste, zu bejagende Gebiet geht, womit zum Beispiel ein jeder teilnehmender Jäger verpflichtet ist, seine Waffe nun zu entladen und zu sichern. Weitere Einsatzbereiche werden später aufgeführt.
Mit der Zeit entwickelte sich ein Horn, das zunächst einfach gewunden war. Das bedeutet, dass das zu einem „Rohr“ verarbeitete, mehrere Meter lange Blechmaterial des Instruments, im Gesamten einmal so aufgewickelt wurde, dass man es über den mit dem damals modernen Dreispitz bedeckten Kopf nehmen und über den Schultern tragen konnte.
Entsprechend groß musste der Durchmesser sein. Als mit der Zeit die Hutform von Dreispitz- auf Zweispitzform und schließlich auf die englische Reitkappe verkleinert wurde, war eine solch große Windung des Horns nicht mehr von Nöten. So wurde unter anderem die Trompe de Chasse in unverarbeiteter Länge von 4,54 Metern 3 ½ Mal umgeschlagen.
Die französische Trompe de Chasse trägt bei günstigen Wind- und Wetterverhältnissen ein Signal über mehrere, genauer gesagt rund sieben Kilometer hinaus, so dass eine Kommunikation über große Distanzen möglich ist. Sie ist ein in D gestimmtes Naturhorn, mit einem Tonumfang von drei Oktaven und unterscheidet sich von allen weiteren Hörnern in ihrem Blasstil.
Das „Tayaut“ ist ein solches Stilelement, durch das sich die Trompe von allen anderen zur Jagd eingesetzten Horninstrumenten abhebt. Dieses Tayaut, gesprochen „Tajo“, stellt das Geläut des jagenden Hundes dar, was also in Sachen Blas- und Stilmittel einzigartig nur der Trompe zuzuordnen ist.
Nachfolgend finden wir zwei Links, die das Tayaut präsentieren. Bewusst zunächst in langsamer Form, um die schwungvoll angeschnittenen Töne zu erkennen. Anschließend im Originalgebrauch.
Tayaut langsam (Youtube)
Tayaut original (Youtube)
Viele Fanfaren der Trompe de Chasse orientieren sich am Takt eines galoppierenden Pferdes.
Bei der berittenen Jagd hinter Hunden gibt es, wie oben erwähnt, für nahezu jede auftretende Situation eine eigene Fanfare. Sei es, dass das gejagte Wild von einem in das andere Waldgebiet wechselt. Sei es, dass die Fährte verloren gegangen ist oder sich das Wild in einem Gewässer befindet.
Viele weitere füllen ganze Bücher und sind Inhalt des sogenannten „Brevet du Sonneur“, eine Art Gesellenbrief für die Bläser der Trompe in Frankreich. Festgelegt wird dieses durch die Fédération international de la Trompe de France (FiTF). Bestanden hat, wer aus rund 50 aktuellen Tier- und Zustandsfanfaren per Los, drei aus dem Stegreif perfekt vorgetragen hat. Was voraussetzt, alle 50 auswendig zu beherrschen.
Einige Fanfaren, um einen Einblick in die Signalwelt zu erhalten, sollen nicht vorenthalten werden: „La Sortie du Chenil“ bläst man, wenn die Meute aus dem Zwinger geholt wird und „La Vue“, wenn das zu bejagende Wild gesichtet ist. „Le Débuché“, wenn das Wild aus dem Wald heraustritt und „Le Bat-L’Eau“, wenn das gejagte Wild in ein Gewässer flieht. Auch verschiedene Personenfanfaren werden genutzt, um beispielsweise den Hundeführer mit „Appel au Valet de Chien“ zu rufen.
Die Sturzfanfare „La Culbute en Fôret“ wird geblasen, wenn ein Reiter unfreiwillig den Sattel verlässt. Weiter gibt es für jedes Stück Wild eine eigene Fanfare sowie zahlreiche Ehrenfanfaren als auch konzertante Stücke.
Das deutsche Parforce Horn ist in Es oder in B gestimmt, wobei auf dem in B gestimmten Horn, mit einer aufgewickelten Länge von rund 2,70 Meter, 11 Naturtöne und auf dem in Es gestimmten, 4,15 Meter langen Horn, 16 Naturtöne spielbar sind. Das deutsche Parforcehorn erfüllt als das Pendant der französischen Trompe den gleichen Zweck wie diese. Die oben genannten Fanfaren der Trompe de Chasse werden mit dem Parforce Horn mit dem gleichen Hintergrund auch hierzulande unter anderem zur Schleppjagd geblasen und erfreuen die Herzen der Jagdreiter und der Zuschauer.
Das Signal „La Sortie du Chenil“ heißt hierzulande „Hunde aus dem Zwinger“ und „Le Débuche“ betitelt man als „Wechsel in den Wald“ sowie „Wenn das Wild zu Wasser geht“, gleichgesetzt mit „Le Bat-L’Eau“.
Das in B gestimmte Fürst-Pless-Horn entstammt einer Zeit, in der man zur Pirsch ein handlicheres bei sich tragen wollte, als das großförmige Parforce Horn und ist nach dem Fürsten von Pless benannt. Mit einer aufgewickelten Länge von rund 1,40 Meter verfügt es über acht Naturtöne. Vorwiegend wird es in der grünen Jagd für sogenannte Jagdleitsignale eingesetzt, beispielsweise zum An- und Abblasen eines Triebes, aber auch für die bekannten Tierfanfaren wie „Sau tot!“
Darüber hinaus gibt es eine weitaus größere Anzahl solcher Signale und/oder Fanfaren, die – wie mit den anderen Hörnern – eine Jagd maßgeblich steuern beziehungsweise beeinflussen können und auch sollen. „Linker Flügel“, „Rechter Flügel“, „Flügel zusammenziehen“ oder „Wagenruf (Wagen her)“ zeigen, wie mannigfaltig der Einsatz eines Jagdhorns ist.
Das fast schon trichterförmige englische Hunting Horn gehört auf Grund seiner kleinen Form von rund 23 cm Länge nicht zu den Instrumenten, die für große Fanfaren oder gar vielschichtige Tonvariationen geeignet sind. Vielmehr geht es darum, die Hounds in möglichst unterschiedlichen Situationen einer Jagd zu dirigieren und den Rest des Jagdfeldes zu informieren.
Hierzu gibt es eine Handvoll an sogenannten Horn Calls, die beispielsweise die Hounds zum Jagen anspornen, oder aber zurückrufen sollen. So nutzt man den Call „Gone Away“ dazu, durch die pulsierenden Tonanschläge die Hounds, die einen nun ins Feld fliehenden Fuchs aufgestöbert haben, in ihrem Jagdeifer weiter zu erregen, sodass sie diesem intensiver nachsetzen. Es ist vergleichbar mit dem „Push-Effekt“, bei dem man einen Sportler durch lautes Anfeuern über sich hinauswachsen lassen möchte. Zudem weiß das Jagdfeld, dass der wohl große Moment auf einen Run gekommen ist.
„Calling Hounds out of a blank Covert“, auch genannt „Blowing Out“, wird verwendet, um das Pack aus einem „Covert“, einer Dickung, zurückzurufen, in der sie erfolglos nach einem Fuchs suchen. Ein solcher Call ist nicht animierend, eher „disappointing“, also enttäuschend. „Calling the Whipper-In“ ist ein Ruf, bei dem der Huntsman seine Whipper-In (Piköre) zu sich holen möchte. Dieser Call kann variiert und beispielsweise so geblasen werden, dass nur der Second Whipper-In oder der Terrier-Man angesprochen wird.
Kombiniert wird das kleine Hunting Horn des Huntsman durch seine Rufe, den sogenannten Voice Calls. Einer dieser ist der sogenannte „Loo in Try“ – ein langgezogenes „Loo“, das tief beginnt und während des „in Try“ rufend stetig an Höhe gewinnt. „Looooo in Tryyyyyyyyy“. Dieser Voice Call wird wiederholend gerufen und soll die Hunde ermutigen, einen Fuchs im Dickicht aufzustöbern. Insgesamt gibt es mehr als zehn dieser Horn Calls und in etwa genauso viele Voice Calls.
Wer die Signale und Fanfaren kennt, dem ist es auch heute noch möglich, einen guten Einblick in das situative Jagdgeschehen zu erhalten. Auch wer die Jagd „nur“ als Fußbegleiter am Rande verfolgt. Das Jagdhorn ist demnach nicht einfach ein nettes Unterhaltungsprogramm, sondern ein Kommunikationsmittel und Steuerelement, das den jagdlichen Ablauf maßgeblich beeinflusst.
Das Horn hat die Zeiten überdauert und ist stets präsent. Selbst Apple und Co. sind nicht gefragt, die Signalwirkung eines Horns während des Jagdbetriebs zu ersetzen. Man stelle sich nur mal vor, erst 30 Jäger anzurufen, und zu informieren, dass der Hirsch das Waldgebiet gewechselt hat. Dies ist ein Indiz, dass das Jagdhorn eine altehrwürdige Form musikalischer und jagdlicher Kultur ist, das es sowohl in die Konzertsäle der Welt geschafft hat, aber auch die Natur mit ihrer Klangvielfalt in einen polyphonen Saal der Akustik und der Kommunikation verwandelt hat. Sehr zur Freude der berittenen Jäger.
Für mich, der selbst eine Trompe de Chasse besitzt, sie aber leider nicht beherrscht, gilt es als ein unglaubliches Kunststück, dieses Instrument zu spielen. Allein die Tatsache, durch das sehr kleine und kantige Mundstück der Trompe einen Ton durch ein über vier Meter langes Blechblasinstrument zu erzeugen, stellt so manchen vor große Herausforderungen. Man darf nicht vergessen, dass aus diesen Jagdhörnern nur ganze Töne kommen. Das bedeutet, dass der Bläser ohne Ventil jeden Halb- und Viertelton eigens manipulieren und diesen glasklar anschlagen und treffen können muss. Stellt man sich vor, dieses auf dem Rücken eines trabenden Pferdes machen zu müssen, kann man sich ausmalen, dass man eigentlich mehr Zeit im Übungsraum, als im Büro verbringen müsste, um ein Virtuose dieses Instruments zu werden.
Daher gilt allen, nicht nur den Trompe-Bläsern, meine Hochachtung. Denn unabhängig davon, wie schwierig nun eine Trompe, ein Fürst-Pless-Horn, ein Parforce Horn oder das Hunting Horn zu spielen ist, muss sich jeder im Klaren sein, dass der echte Jagdhornbläser den Verlauf einer Jagd in Verbindung der Signale perfekt kennt und die dazugehörigen Signale auf Knopfdruck abspielen kann. Ganz abgesehen von den mehrstimmigen Stücken, die zu Gottesdiensten oder Messen als konzertante Stücke, auch in Verbindung mit einer Orgel, unsere Ohren erfreuen.
Respekt, wer’s kann!
Quellen: Uwe Weber, Harald Klingbeil, Busso Freise, Axel Henrich, Initiative Trompe.de, Huntingact.org, Parforcehornmusik.de
Philipp Jakob
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