Einflechten zur Jagd – hat Turnierreiten wirklich einen höheren Stellenwert?
Muss sich die Jagdreiterei verstecken und weshalb das Einflechten für mich persönlich besonders wichtig ist
Wer kennt es nicht? Man sitzt auf der Jagd im Sattel, und plötzlich taucht ein Reiter mit sorgsam eingeflochtener Mähne auf. Prompt folgt der halb scherzhafte, halb erstaunte Kommentar:
„Warum eingeflochten? Wir sind doch nicht auf dem Turnier!“
Diese Frage begegnet mir immer wieder. Sie wirft ein interessantes Licht darauf, wie unterschiedlich Turnier- und Jagdsport wahrgenommen werden: Warum wird das Einflechten eher mit dem Turnier, nicht aber mit der Jagd verbunden?
Erst kürzlich ritt neben mir ein Reiter, der genau diese Frage stellte. Kurze Zeit später wiederholte – unabhängig davon – eine Dame dieselbe Verwunderung. Da wurde mir bewusst, wie oft man erklären muss, dass es beim Jagdreiten durchaus üblich und andernorts selbstverständlich ist, einzuflechten.
Turniersport – der große Tag in wenigen Minuten
Für Turnierreiter ist der große Tag etwas Besonderes. Wochen- und monatelang wird trainiert:
- Dressurstunden,
- Springstunden,
- Lehrgänge,
- Ausritte,
- die akribische Auswahl des passenden Equipments.
Dann endlich: der ersehnte Turniertag!
Der Wecker klingelt im Morgengrauen, man stolpert verschlafen in den Stall – voller Vorfreude. Das Pferd wird geputzt und eingeflochten, Stiefel poliert, das Sattelzeug glänzt. Noch fix die passende Transportdecke – und los.
Auf dem Abreiteplatz herrscht Hektik. Im Viereck oder Parcours entscheidet sich in wenigen Minuten, ob der Tag mit einer Schleife, Enttäuschung oder Stolz endet. Ein schnelles Selfie, vielleicht eine Portion Turnierpommes – und dann geht es wieder nach Hause. So viel Vorbereitung – für wenige Minuten im Viereck oder im Parcours.
Der Jagdtag – länger, intensiver und doch ein geringerer Stellenwert?
Und nun die Schleppjagd. Auch hier gilt: Man reitet das ganze Jahr, um Pferd und sich fit zu halten. Ab dem Frühjahr nehmen viele Reiter an Lehrgängen, Geländekursen und Trainingstagen mit einer Meute teil. Auch hier fließen Zeit, Geld, Mühe und viele Kilometer ins Training.
Dann der Jagdtag: derselbe frühe Wecker, dieselbe Vorfreude. Das Pferd wird hübsch gemacht – nur eben oft nicht eingeflochten. Stiefel geputzt, Sattelzeug glänzt. Alles bereit für die unblutige Hatz. Pünktlichkeit beim Stelldichein – eine Selbstverständlichkeit.
Anders als beim Turnier ist nach ein paar Minuten nicht Schluss. Eine Jagd dauert mehrere Stunden – querfeldein, über Stock und Stein, im Klang von Horn und zum Geläut der Meute. Am Ende gibt es keine Schleife, dafür den symbolischen Bruch, unabhängig von der individuellen Leistung.
Selfies und Fotos gehören auch hier dazu, ebenso wie ein zünftiges Essen danach – vom Suppentopf bis zum festlichen Abendessen.
Wo liegt der Unterschied? Welcher Stellenwert ist nun höher?
Für mich ist die Antwort eindeutig: Der Stellenwert ist derselbe. Mein Pferd trägt mich – auf dem Turnier wie auf der Jagd – durch die Anforderungen des Tages. Ob Bahnfigur, Oxer oder lange Schleppen über natürlichen Boden: Ohne das Pferd wäre nichts davon möglich!
Darum ist es für mich selbstverständlich, nicht nur schnell zu putzen. Ein geflochtenes Pferd sagt für mich: „Danke für diese gemeinsamen Stunden.“
Ein Blick ins Ausland
In Frankreich wird oft mit geschorener Mähne geritten – praktisch, um ein Verknoten der Mähne im Dickicht zu vermeiden. In Großbritannien gilt das Einflechten als Ausdruck von Respekt gegenüber Landeigentümern, der Meute und der Sache generell.
Auch das zeigt: eingeflochtene Pferde auf der Jagd sind keineswegs ungewöhnlich – in vielen Regionen ist es obligatorisch, der Sache dienlich und ein Zeichen der Wertschätzung.
Weshalb ich persönlich in der Hauptsaison immer einflechte
Natürlich ist es – wie so vieles im Reitsport – eine persönliche Entscheidung, einzuflechten oder eben nicht. Für jeden Reiter ist der Jagdtag ein Highlight – eingeflochten oder nicht. Und genau das zählt.
Für mich ist ein Jagdtag etwas ganz Besonderes. Es ist meine persönliche Leidenschaft – etwas, das ich wirklich lebe. Dies drücke ich durch das Einflechten aus, als Wertschätzung gegenüber meinem Pferd und der Sache. Aus meiner Sicht macht dies einen Vergleich darüber, ob das Einflechten typischerweise dem Turnier- oder Jagdreiten zuzuordnen ist, schlichtweg obsolet.
Der Sport des Jagdreitens muss sich nicht verstecken – denn das, was wir in diesen schönen Stunden hinter den Hunden erleben, verdient besonderen Wert!
Jagdreiten ist kein “Nebenbei-Termin”, der weniger Vorbereitung erfordert oder dem weniger Bedeutung zuzusprechen ist – und unter anderem dafür flechte ich ein!
Philipp Jakob
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Foto: Hattie Austin
